40 Jahre Männerberatung Wien: Ein Aufruf zur Männlichkeit im Wandel

Wien, Österreich - In Österreich gibt es einen gewaltigen Wandel rund um das Thema Männlichkeit. Seit den 1980er Jahren, als Herbert Grönemeyer mit seinem Hit „Männer“ Klischees über die Männlichkeit beleuchtete, hat sich viel getan. Im Jahr 1980 wurde die erste Männerberatungsstelle im deutschsprachigen Raum in Wien gegründet. Die Männerberatung Wien bietet nunmehr seit 40 Jahren Unterstützung für Männer in schwierigen Lebenslagen und hat sich als wichtige Anlaufstelle etabliert.

Im vergangenen Jahr wurden 7.090 Personen beraten, und die Nachfrage steigt stetig. Die Beratung reicht von geschlechter- und männlichkeitsreflektierter Therapie über Coaching bis hin zu sozialer und juristischer Hilfe. Der Geschäftsführer der Männerberatung, Žiga Jereb, macht auf die Notwendigkeit aufmerksam, über das Thema Gewalt zu sprechen, besonders im Hinblick auf die besorgniserregende Zunahme von Femiziden in Österreich. In diesem Kontext wird auch die Kooperation mit dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) zur Arbeit mit Gewalttätern hervorgehoben.

Die Herausforderungen von Männlichkeit

Die Männerberatung hat erkannt, dass insbesondere Jugendliche gefährdet sind, indem sie in sozialen Medien der sogenannten „Manosphere“ ausgesetzt sind. Diese Plattformen fördern oft toxische Männlichkeitsbilder. Daher ist die Förderung eines neuen Verständnisses von Männlichkeit, das Vielfalt, Fürsorge und Care-Arbeit betont, unumgänglich. Der Wunsch nach mehr Sichtbarkeit für diese neuen Männlichkeitsbilder im öffentlichen Raum ist groß.

Dennoch steht die Männerberatung vor einem großen Problem: Der Budgetfrage auf Bundesebene. Aktuell benötigt die Einrichtung finanzielle Unterstützung für ihre Kampagnen, die bisher vom Bund ausbleibt. Während Förderungen für Gewaltprävention in den Jahren 2017 und 2018 gestiegen sind, ist die aktuelle Lage durch Ungewissheit und eingeschränkte Planungssicherheit geprägt. Wie Bernd Kühbauer, ein Mitglied des Vorstands, berichtet, dürfte die Klärung dieser Budgetfrage bis Mitte Juni 2025 erfolgen.

Bildung für eine neue Männlichkeit

Um dem Thema Männlichkeit und Gewaltprävention noch besser begegnen zu können, bietet die Pro Juventute Akademie spezielle Seminare an. Diese zwei Tage umfassenden Workshops beschäftigen sich mit kritischer Männlichkeitsforschung und deren Umsetzung in der pädagogischen Praxis. Ziel ist es, grundlegendes Wissen über Geschlecht und Männlichkeiten zu vermitteln und die Handlungskompetenz in der Jugendarbeit zu erhöhen.

Die Seminare thematisieren zentrale Konzepte wie hegemoniale Männlichkeit, Intersektionalität sowie Gewaltprävention. Anhand theaterpädagogischer Methoden und Reflexionsübungen werden die Teilnehmenden sensibilisiert, um gewaltsensibilisierte Ansätze in ihrer Arbeit einfließen zu lassen. Dies ist besonders wichtig, da männliche Hilflosigkeit häufig verborgen bleibt und in kritischen Lebenslagen sichtbar werden kann.

Männerforschung im Wandel

Die Männerforschung hat sich in den letzten 30 Jahren zu einem komplexen, multidisziplinären Wissenschaftsgebiet entwickelt. Diese Forschung ist durch die Auseinandersetzung mit patriarchalischen Strukturen geprägt, die für Männer oft sowohl Privilegien als auch Herausforderungen mit sich bringen. Spannungen zwischen traditionellen Strukturen und modernisierten Männlichkeiten sind evident und spiegeln sich in den gesellschaftlichen Diskursen wider.

Es wird klar, dass Männlichkeit nicht länger als eindimensional betrachtet werden kann. Sie ist ein soziales Konstrukt, das sich im Laufe der Zeit verändert hat und immer noch im Wandel ist. Die Themen soziale Ausgrenzung, Gewalt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind zentrale Herausforderungen, die sowohl die Männerberatung als auch die Männerforschung angehen müssen.

Am Ende des Tages ist es die Aufgabe von Institutionen, Fachleuten und auch der Gesellschaft, die neuen, vielfältigen Männlichkeitsbilder zu fördern und eine gesunde Kommunikation über spezifische Herausforderungen zu ermöglichen. Nur so können wir Männer unterstützen, die der Zeit entsprechend handeln und denken.