Roter Stern über Graz: Erinnerungen an 75 Tage sowjetische Besatzung

Der Artikel beleuchtet die 75 Tage sowjetischer Besatzung in Graz 1945 und die Zeitzeugenberichte von Barbara Stelzl-Marx.
Der Artikel beleuchtet die 75 Tage sowjetischer Besatzung in Graz 1945 und die Zeitzeugenberichte von Barbara Stelzl-Marx. (Symbolbild/ANAGAT)

Roter Stern über Graz: Erinnerungen an 75 Tage sowjetische Besatzung

Graz, Österreich - Der 9. Mai 1945 markiert für Graz einen entscheidenden Wendepunkt: In den frühen Morgenstunden zieht die Rote Armee ohne Widerstand in die Stadt ein und beendet damit die beschauliche Zeit des Krieges. Nach Wochen der Ungewissheit und der Hoffnung auf eine baldige Befreiung durch die britische Armee, die 40 Kilometer entfernt in Voitsberg aufgehalten wird, müssen die Grazer Bürger nun mit der Realität der sowjetischen Besatzung klarkommen. Wie die ORF berichtet, beginnen die 75 Tage der Unsicherheit, in denen sowjetische Soldaten in die Wohnungen eindringen und Lebensmittel sowie Wertgegenstände mitnehmen.

Diese Erlebnisse werden in dem Buch „Roter Stern über Graz. 75 Tage sowjetische Besatzung 1945“ von Barbara Stelzl-Marx lebendig. Die Historikerin der Universität Graz basiert ihr Werk auf ausgiebigen Recherchen, die unter anderem Archivalien, Zeitungsartikel und Interviews mit 80 Zeit Zeug:innen umfassen, die zur Zeit der Besatzung Kinder oder Jugendliche waren. Wie sie in einer Pressemitteilung der Universität Graz erklärt, schildern die Zeitzeugen die Geschehnisse aus einer kindlichen Perspektive und erinnern sich an abenteuerliche Erlebnisse mit sowjetischen Soldaten, die den Kindern Süßigkeiten schenkten und sie in ihren Fahrzeugen Platz nehmen ließen.

Einblicke in das Buch

Der emotional aufgeladene Ausnahmezustand der Grazers während der sowjetischen Besatzung wird eindrucksvoll festgehalten. Stelzl-Marx gibt den Lesern ein Gefühl dafür, wie die Anwesenheit von Kleinkindern für die Frauen in Graz als eine Art Schutz vor Vergewaltigungen fungierte. In ihren Berichten ist die Zerrissenheit zwischen Angst und kindlicher Freude an den Geschenken der Soldaten spürbar. Das Buch, das kürzlich im Molden Verlag veröffentlicht wurde, wird am 10. April 2025 in der Buchhandlung Moser in Graz vorgestellt.

Über die Besatzung Österreichs zwischen 1945 und 1955 gibt es zusätzlich wichtige Informationen. Nach der Moskauer Deklaration von 1943 wurde Österreich in vier Besatzungszonen unterteilt und befand sich bis zur Wiederherstellung der Souveränität durch den Staatsvertrag von 1955 unter der Kontrolle alliierter Streitkräfte. Dabei kam es zu zahlreichen Veränderungen in der politischen Landschafte und zur Rückkehr ehemaliger Kriegsgefangener. Diese Übergangszeit wird in der offiziellen Geschichte des Landes bis heute reflektiert, vor allem in Bezug auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die gesellschaftlichen Herausforderungen dieser Zeit, wie die Wikipedia-Seite zu besetztem Nachkriegsösterreich zeigt.

In Grazer Geschichtsbüchern bleibt die sowjetische Besatzung ein prägender Abschnitt, der von verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. So wird in den Geschichtsdarstellungen deutlich, wie sich das Lebensgefühl der Bevölkerung einer Stadt unter dem Druck fremder Soldaten veränderte und welche Spuren diese Zeit hinterließ. Das neueste Buch von Barbara Stelzl-Marx bietet einen frischen, emotionalen Blick auf diese Ära und zeigt, dass auch in dunklen Zeiten das Licht menschlicher Begegnungen nicht erlischt.

Details
OrtGraz, Österreich
Quellen