Spurensuche in Graz: Die vergessene NS-Vergangenheit steirischer Gebäude

Ein Forschungsprojekt in Graz untersucht die NS-Vergangenheit von Gebäuden der Bundesimmobiliengesellschaft bis Herbst 2025.
Ein Forschungsprojekt in Graz untersucht die NS-Vergangenheit von Gebäuden der Bundesimmobiliengesellschaft bis Herbst 2025. (Symbolbild/ANAGAT)

Spurensuche in Graz: Die vergessene NS-Vergangenheit steirischer Gebäude

Paulustorgasse 8, 8020 Graz, Österreich - In Graz gibt es derzeit eine spannende Auseinandersetzung mit der dunklen Geschichte der nationalsozialistischen Vergangenheit. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Kontaminiertes Erbe?“, das von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung und der Universität Graz durchgeführt wird, werden Liegenschaften in der Steiermark und Wien näher untersucht. Diese Gebäude haben eine belastete Nutzungsgeschichte aus der NS-Zeit und sind nicht nur Zeugnisse der Vergangenheit, sondern auch Orte, die Erinnerungen an Unrecht und Leid wachhalten sollten. MeinBezirk berichtet, dass das Projekt von Anfang 2024 bis Herbst 2025 läuft und gezielt 21 steirische Gebäude ins Visier nimmt.

Zu den wichtigsten Objekten zählen die Paulustorgasse 8, 10 und 12 sowie Parkring 4 in Graz, die einst als Polizeidirektion und Gestapo-Zentrale dienten. Hier arbeiteten über 100 Personen für die Gestapo, und die Überreste der Verhöre und Foltermethoden sind bis heute präsent. Abertausende Menschen wurden hier gefoltert und verhört, und mehr als 45.000 Festnahmen wurden bis Kriegsende gezählt – mehr als die Hälfte davon politische Häftlinge. Ein jüdischer Rechtsanwalt, Ludwig Biró, dokumentierte die Gräueltaten in dieser Haftanstalt, und dennoch ist das Gedächtnis des Ortes heute weitgehend verblasst. Lediglich eine kleine Gedenktafel erinnert an die traurigen Ereignisse.

Die Verantwortung der Vergangenheit

Die kritische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ist nicht nur auf Graz beschränkt. Am 5. März 2025 fand eine vielbeachtete Veranstaltung zur Erinnerungskultur in Graz statt, die im Rahmen des Gedenkjahres 2025 – 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges – umgesetzt wurde. Die Veranstaltung umfasste auch eine Podiumsdiskussion über die Gestapo-Zentrale in Graz und den Umgang mit dem kontaminierten Erbe. ExpertInnen und BesucherInnen diskutierten intensiv über die individuelle und kollektive Verantwortung, die aus dieser Geschichte erwächst. Moderiert von Martin Haidinger (Ö1) teilten unter anderen Sibylle Dienesch, Direktorin des GrazMuseums, und Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, ihre Gedanken zur Bedeutung der Geschichtsaufarbeitung.Das Ludwig Boltzmann Institut hebt hervor, wie wichtig es ist, die unsichtbaren Spuren des NS-Systems sichtbar zu machen.

Sie betonen auch, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung darstellt und die BIG hier eine besondere Verantwortung trägt. In der Vergangenheit hatten auch einige unserer Gerichte, wie das Bezirksgericht in Deutschlandsberg, eine fragwürdige Rolle, in der politische Gegnerinnen und Gegner in „Schutzhaft“ genommen wurden, unter der Leitung eines als „zuverlässiger Nationalsozialist“ geltenden Franz Rainer. Historische Rückblicke zeigen, dass die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Gesellschaft einen langen Atem benötigt.

Ausstellungen und fortlaufende Diskussionen

Der historische Kontext wird durch Ausstellungen, wie „Hitlers Exekutive. Die österreichische Polizei und der Nationalsozialismus“ im GrazMuseum, beleuchtet. Diese Ausstellung ist ein Ergebnis des Forschungsprojekts „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938–1945“ und hinterfragt die Rolle der Polizei im Nationalsozialismus. Die Finissage war ein Ort des Austauschs, an dem Fragen zu Verantwortung und Täterschaft sowie die Erinnerung an den Widerstand behandelt wurden. Auch wenn sich die Sicht auf dieNS-Geschichte im Laufe der Jahre gewandelt hat, bleibt die Herausforderung bestehen, die Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel fortzuführen. So wird die Ausstellung künftig im kärnten.museum Klagenfurt fortgesetzt.

Insgesamt zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in Graz und darüber hinaus ein grundlegender Bestandteil unserer kulturellen Identität bleibt. Die Verantwortung, die aus der Geschichte erwächst, sollte nie aus den Augen verloren werden – nur so können wir Lehren ziehen und ein empathisches Miteinander fördern.

Details
OrtPaulustorgasse 8, 8020 Graz, Österreich
Quellen